Im Volksmund wird die Introversion bekanntlich häufig mit Schüchternheit gleichgesetzt. Dabei gibt es ebenso schüchterne Menschen unter den Extravertierten.
Bei den Introvertierten wirkt ‑ oder sollte man besser sagen - erscheint Schüchternheit verstärkt, aufgrund ihres charakteristischen Wesenszugs: ihre bevorzugte Orientierung nach Innen! Extrem extravertierte Menschen dagegen sind jene, die acht Stunden im Großraum- Büro arbeitend, den Abend, mit einigen Kollegen oder Freunden verbringen, um am nächsten Tag, in bester Laune und Verfassung wieder im Büro sitzen. Oder - nachdem Sie den ganzen Tag mit und unter Menschen verbracht haben -, sich zur Entspannung vor den Fernseher setzten - also sich wiederum nach Außen orientieren. Introvertierte Menschen aber brauchen Auszeiten von ihrer fordernden Umwelt, um - buchstäblich - zu sich selbst zu kommen. Sei es in der Mittagspause, die sie lieber mit einem Spaziergang, alleine, verbringen; mit dem Rückzug ins Private am Abend, oder einem „menschenfreien Tag“ am Wochenende. Kurz: Extravertierte Menschen tanken auf, wenn sie in Gesellschaft sind; Introvertierte schätzen Zweier-Begegnungen und Zeit alleine. Das heißt nicht, dass Introvertierte nicht auch Gesellschaft genießen würden, aber in weit geringerem Maße als ihre extravertierten Zeitgenossen. Introvertierte tanken auf, wenn sie Innenschau halten können, Nachdenken und -spüren können. Dass Introversion keine „Störung“ ist, zeigt Susan Cain eindrucksvoll in ihrem Bestseller-Plädoyer „Still - Die Kraft der Introvertierten“: Es sind die Introvertierten, so Cain, die Großes für die Menschheit schaffen; im kulturellem Bereich, in der Wissenschaft oder der gesellschaftlichen Entwicklung. Es sind die Introvertierten, die Romane oder Opern schreiben, sich in ein technisches Problem verbeißen, bis eine Lösung in Sicht ist, oder, durch ihre Verbindung mit der inneren Kraft, Beispiel geben für die Überwindung gesellschaftlicher Konventionen ... Das Wissen über Introversion und Extraversion verhilft uns zu einem besseren Verständnis, über uns selbst und andere. Es sollte uns nicht verleiten, mögliche Schwierigkeiten (nur weil sie „zum Charakter passen“), einfach hinzunehmen. - Die Angst vor anderen zu sprechen, Angst zu Versagen, das Gefühl nicht gemocht oder anerkannt zu sein etc. ... sind allesamt Themen, an denen man arbeiten kann. Das gleiche gilt für die Extravertierten: Wer seine permanente Anspannung, das Gefühl des „Getriebenseins“ oder alles im Außen kontrollieren zu müssen ... auf sein Naturell schiebt, versäumt die Möglichkeit, etwas in Richtung gesundes Gleichgewicht zu verschieben. Die Richtschnur dabei ist immer das eigene Wohlergehen, und das des nahen Umfeldes. Fühlt sich etwas nicht (mehr) gut an, oder stört gar die eigene / famliliäre /berufliche Entwicklung, heißt es: Ärmel hochkrempeln und etwas ändern. Das gilt für beide Persönlichkeitstypen! Auch, wenn sie schüchtern sind ... © 2018 Gregor M. Schöffmann Comments are closed.
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February 2020
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